Vermieterin lehnt die Installation einer Rampe ab, die ein Mieter, der im Rollstuhl sitzt, dringend benötigt.

Das Landgericht Berlin II urteilt, dass die Vermieterin den Mieter damit nach dem Allgemeinem Gleichbehandlungsgesetz (AGG) benachteiligt.

Wenn der Vermieter einer ihm gesetzlich auferlegten Handlungspflicht nicht hinreichend nachkommt, durch die im Sinne des § 5 AGG eine bisher benachteiligte Gruppe gezielt gefördert werden soll, ist eine im Sinne von § 3 Absatz 1 AGG durch Unterlassen ausgelöste unmittelbare Benachteiligung gegeben. Eine Benachteiligung liegt dabei in der Vorenthaltung eines gesetzlich eingeräumten Vorteils, dessen Ziel es ist, bestehende Nachteile zu beseitigen oder zu verhindern. Eine davon betroffene Person wird weniger günstig behandelt, als es das Gesetz zur Herstellung gleicher Chancen für erforderlich hält.

Indem sich die Vermieterin, eine Wohnungsbaugesellschaft, über zwei Jahre geweigert hat eine Rampe zu installieren, die der Mieter aufgrund seiner körperlicher Behinderung dringend benötigt, stellt das LG Berlin II mit Urteil vom 30. September 2024, Aktenzeichen 66 S 24/24, eine Benachteiligung nach dem AGG fest und verurteilt die Vermieterin zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 11.000 € an den Mieter.

 

Der Fall:

Der Streit dreht sich um die Herstellung eines barrierefreien Zugangs zur Wohnung. Der Rollstuhlfahrer wollte bloß wieder in die Lage versetzt werden, in der er eigenständig seine Wohnung verlassen bzw. wieder betreten kann. Um diesem Bedürfnis gerecht zu werden, sollte eine Rampe her. Doch die Wohnungsbaugesellschaft zeigte sich wenig aufgeschlossen, dem Anliegen des Mieters nachzukommen. Trotz wiederholter Anfragen verweigert die Vermieterin die erforderliche Zustimmung.

Anmerkung:

Ein Anspruch des Mieters auf Erteilung einer Zustimmung zur baulichen Veränderungen der Mietsache ergibt sich aus § 554 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).

Bei Wohnungseigentum ergibt sich ein solcher  Anspruch aus § 20 Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 Wohnungseigentumsgesetz (WEG). Die Errichtung der Rampe kann als Vornahmemaßnahme gemäß § 20 Absatz 1 WEG oder als Gestattungsmaßnahme nach § 20 Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 WEG beschlossen werden. Dabei handelt es sich in beiden Fällen um eine Instandhaltung und -setzung, so dass eine Beschlussfassung der Wohnungseigentümer notwendig ist. Beachten Sie aber: Ein Anspruch auf eine Rampe ergibt sich dadurch mithin nicht, den der Anspruch besteht nur auf eine angemessene bauliche Veränderung. Es käme beispielsweise auch auch die Errichtung einer Hebebühne in Betracht.

Aufgrund der langjährigen Weigerung der Vermieterin wollte der Mieter nunmehr nicht die Zustimmung zur Rampe, sondern dass die Wohnungsbaugesellschaft für ihr Unterlassen zur Verantwortung gezogen wird und argumentiert. dass das Verhalten der Vermieterin einen Verstoß gegen das AGG darstelle. Er macht geltend, dass ihm im Vergleich zu anderen Mietern ohne (körperliche) Behinderungen der Zugang zur Wohnung rechtswidrig versagt worden ist. Dieser Argumentation folgt auch das LG Berlin II.

Begründung:

Hierbei stützt sich das Gericht auf den § 19 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Danach ist jede Form der Benachteiligung, insbesondere aufgrund einer Behinderung in zivilrechtlichen Massengeschäften unzulässig.

Die Vermieterin ist eine Wohnungsbaugesellschaft. Sie verwaltet mehr als 50 Wohnungen, so dass die Vermietung laut Gericht unter den Begriff des „Massengeschäfts“ fällt. Es sei gemäß § 5 AGG die Pflicht der Vermieterin die Benachteiligung des Mieters durch positive Maßnahmen zu beseitigen. Diese Pflicht habe sie verletzt, indem sie der Installation der Rampe nicht zugestimmt habe.

Benachteiligung war nicht gerechtfertigt.

Um die Benachteiligung des Vermieter zu rechtfertigen müsste ein sachlicher Grund nach § 20 Absatz 1 Satz 1 AGG vorliegen. Sachliche Gründe sind nachvollziehbare und nicht offensichtlich willkürliche Ziele, die mit der Ungleichbehandlung verfolgt werden. Ein Ziel ist dann rechtmäßig, wenn es nicht seinerseits diskriminierend und im Übrigen legal ist. Im § 20 Absatz 1 Satz 2 sind Regelbeispiele ausgeführt, die der Auslegung und Konkretisierung des Begriffs des sachlichen Grundes dienen. Danach ist eine unterschiedliche Behandlung zB zulässig, wenn sie der Vermeidung von Gefahren, der Verhütung von Schäden oder anderen Zwecken vergleichbarer Art dient. Eine Darlegung eines sachlichen Grundes ist der Wohnungsbaugesellschaft nicht gelungen. Sie habe sich laut Gericht lediglich auf pauschale und nicht überzeugende Gründe gestützt. Durch die Weigerung zur Zustimmung war der Mieter ständig auf die Hilfe Dritter angewiesen. Aufgrund der Dauer in der die Wohnungsbaugesellschaft ihre Zustimmung verweigert hat und der massiven Störung der Lebensqualität des Mannes ist laut Gericht damit eine Entschädigung in Höhe von 11.000 € gerechtfertigt.

Hinweis:

Solche Fälle sind grundsätzlich vom Einzelfall abhängig. Jedenfalls bezüglich des „Ob“ der Maßnahme ist das Ermessen der Vermieter bzw. Wohnungseigentümer regelmäßig auf Null reduziert; lediglich hinsichtlich des „Wie“ wird ein Ermessen zustehen. Nur in Ausnahmefällen ist der Anspruch ausgeschlossen, vergleiche § 554 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 20 Absatz 4 WEG. Wir empfehlen in solchen Fällen die Beratung durch einen Rechtsanwalt. 

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Bild: Haus & Grund Deutschland/Canva