Mit der WEG-Reform von 2020 haben sich unter anderem auch die Mehrheiten geändert, mit denen ein Beschluss über eine abweichende Kostenverteilung bei Erhaltensmaßnahmen gefasst werden kann. Dies hat und wird auch zukünftig GdWE beschäftigen. Denn gerade in den Fällen, bei denen eine Minderheit bisher verhindert hat, dass sie mit den Erhaltungskosten für Teile des Gemeinschaftseigentums, das nur von ihnen genutzt werden kann, belastet werden, ist diese Blockademöglichkeit mit der WEG-Reform entfallen.
Gemäß § 16 Absatz 2 Satz 1 WEG werden bei Gemeinschaftseigentum die für Instandsetzungen anfallenden Kosten grundsätzlich auf die Eigentümer entsprechend ihrer Miteigentumsanteile verteilt. Seit 2020 besteht mit der Regelung in § 16 Absatz 2 Satz 2 WEG die Möglichkeit, dass die Wohnungseigentümer davon abweichende Kostenverteilungen beschließen dürfen. Nicht geklärt war jedoch bislang, ob einzelne Miteigentümer auch für Kosten, die Gemeinschaftseigentum betreffen, allein herangezogen werden dürfen.
Gesetz über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht (Wohnungseigentumsgesetz – WEG)
§ 16 Nutzungen und Kosten
(1) Jedem Wohnungseigentümer gebührt ein seinem Anteil entsprechender Bruchteil der Früchte des gemeinschaftlichen Eigentums und des Gemeinschaftsvermögens. Der Anteil bestimmt sich nach dem gemäß § 47 der Grundbuchordnung im Grundbuch eingetragenen Verhältnis der Miteigentumsanteile. Jeder Wohnungseigentümer ist zum Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums nach Maßgabe des § 14 berechtigt.(2) Die Kosten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, insbesondere der Verwaltung und des gemeinschaftlichen Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums, hat jeder Wohnungseigentümer nach dem Verhältnis seines Anteils (Absatz 1 Satz 2) zu tragen. Die Wohnungseigentümer können für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten eine von Satz 1 oder von einer Vereinbarung abweichende Verteilung beschließen.(3) Für die Kosten und Nutzungen bei baulichen Veränderungen gilt § 21.
Gegenstand der Verfahren vor dem BGH waren zwei Fälle aus Hessen und Niedersachsen. Mit den zwei Urteilen vom 22. März 2024 hat das BGH damit zwei Streitfragen geklärt.
1. Eine Änderung des Verteilungsschlüssels kann auch rückwirkend für bereits eingetretene Schäden gelten. Denn Eigentümer dürfen sich nicht darauf verlassen, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen sich nicht für sie nachteilig ändern (V ZR 81/23)
2. Bei dem ersten Beschluss über eine abweichende Kostentragung für eine konkrete Maßnahme müssen nicht auch gleich schon Regelungen für vergleichbare zukünftige Maßnahmen getroffen werden. Eine vergleichbar gerechte Kostenverteilung für vergleichbare Maßnahmen könne laut der BGH-Richter auch später durch eine entsprechende Beschlussfassung erreicht werden. Denn im Einzelfalle könne sich auch erst dann zeigen, welche Kostenverteilung vergleichbar gerecht sei. (V ZR 87/23)
Damit entschied der BGH, dass die Eigentümerversammlung für Erhaltungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum gemäß § 16 Absatz 2 Satz 2 WEG eine Kostentragung zulasten einzelner Wohnungseigentümer beschließen kann, Urt. V. 22.03.2024, Az. V ZR 81/23 u. V ZR 87/23.
Fall 1: Die Doppelparker (V ZR 81/23)
Bei dem Rechtsstreit ging es um eine GdWE, in der sich sogenannte Doppelparker befanden, bei denen durch Absenken und Heben einer Rampe zwei Fahrzeuge übereinander auf einem Tiefgaragenstellplatz stehen können. Aufgrund eines Defektes der im Gemeinschaftseigentum stehenden Hebeanlage konnte von diesen Doppelparkern jedoch jeweils nur ein Stellplatz genutzt werden. Nach der WEG-Reform beschlossen die Wohnungseigentümer nun mit einfacher Mehrheit eine Änderung der Kostenverteilung, so dass für die Reparatur nur noch die Eigentümer der Doppelparker die Kosten tragen sollten. Ein solcher Beschluss war früher nicht möglich gewesen, weil aufgrund einer Blockade der betroffenen Teileigentümer die damals erforderliche doppeltqualifizierte Mehrheit hierfür nicht zustande kam. Einer der Teileigentümer wehrte sich nun gegen diesen für ihn nachteiligen Beschluss und berief sich unter anderem darauf, dass die neue Kostenverteilung zumindest nicht rückwirkend für bereits zuvor eingetretene Schäden gelten dürfe.
Die BGH-Richter sahen dies anders. Der Beschluss entspreche ordnungsgemäßer Verwaltung, weil er insbesondere den Gebrauch bzw. die Möglichkeit des Gebrauchs durch die jeweiligen Eigentümer bei der Tragung der Kosten berücksichtige. Auch dass diese Änderung der Kostentragung nicht nur für zukünftige Schäden gelten sollte, sondern auch den bereits eingetretenen Defekt an der Hebeanlage, ändere hieran nichts. Denn die betroffenen Eigentümer hätten nicht darauf vertrauen dürfen, dass das Erfordernis einer doppeltqualifizierten Mehrheit für eine Änderung der Kostenverteilung dauerhaft erhalten bleibt. Vielmehr müsse mit Änderungen gesetzlicher Rahmenbedingungen grundsätzlich gerechnet werden. Ein Bestandschutz für die bisherige Blockademöglichkeit gebe es daher nicht.
Fall 2: Dachfenster (V ZR 87/23)
In einer GdWE waren die Dachfenster in einer Dachgeschosswohnung defekt. Die Eigentümer beschlossen, dass der Schaden behoben werden und die Kosten – abweichend von der bisherigen Regelung – der betroffenen Wohnungseigentümer tragen sollte. Dieser wehrte sich gegen den Beschluss, indem er unter anderem anmahnte, dass mit diesem Beschluss die „Maßstabskontinuität“ nicht gewahrt sei, weil nicht schon bei der Entscheidung über seine Fenster auch eine entsprechenden Kostentragung für die Dachfenster in den anderen Wohnungen beschlossen wurde. Die BGH-Richter hielten dies jedoch nicht für erforderlich, da der Wortlaut des Gesetzes eine entsprechende Pflicht nicht hergeben. Zudem könne es sein, dass sich bei einer späteren, ähnlich gelagerten Konstellation auch unter Berücksichtigung der bis zu diesem Zeitpunkt getroffenen Kostenbeschlüsse eine andere Kostenverteilung als gerecht erweise.
Mitteilung der Pressestelle des Bundesgerichtshofs:
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