Eine Verbände-Allianz in Niedersachsen macht weiterhin Front gegen die Neuregelungen zur Einforderung von Straßenausbaubeiträgen, die der Niedersächsische Landtag mit der Reform des Kommunalabgabengesetzes am 23. Oktober 2019 beschließen wird. Haus & Grund Niedersachsen, Bund der Steuerzahler Niedersachsen und Bremen, Verband Wohneigentum Niedersachsen und das Landvolk Niedersachsen erklären dazu einmütig:

 
In den letzten 2 Jahren haben wir uns intensiv auf sachlicher Grundlage mit der GroKo-Politik dazu auseinandergesetzt und für die kompromisslose Abschaffung der Ausbaubeiträge plädiert. Die Landesregierung hat stets dagegen gehalten, die gesetzliche Abschaffung der landesrechtlichen Ermächtigungsgrundlage zur Erhebung von Beiträgen müsse dann vom Land durch Finanzausgleich an die Kommunen kompensiert werden (Konnexitätsprinzip), das sei nicht zu stemmen.
 
Falsch: Denn das Konnexitätsprinzip gilt nach Art. 57 Absatz 4 S. 1 – 3 LV nur für übertragene oder veränderte „Pflichtaufgaben“ – §§ 6, 6 b Nds. KAG sind dagegen nur „Kann“-Vorschriften; die Gemeinde übernimmt also keine Verpflichtung, sondern hat die Wahl, Beiträge zu erheben oder nicht. Also muss auch nichts ausgeglichen werden. Und vor allem: Von 2000 – 2012 ist der von den Gemeinden und Kreisen an das Land gezahlte Finanzausgleich im Steuerverbund von 5,5 auf 12 Milliarden € gewachsen. Für das Jahr 2019 können 15 Milliarden € veranschlagt werden (Quelle BdSt Niedersachsen / Bremen – Anlage). Geld für einen Finanzausgleich wäre also mehr als ausreichend vorhanden.
 
Das zweite Argument: Die Abschaffung der Beiträge sei ein schwerer Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung und gefährde die Sicherung der Infrastruktur! Falsch und ebenfalls irreführend: Denn die kommunale Selbstverwaltung (Art. 28 GG) wird nur durch den ausführenden gesetzlichen Rechtsrahmen bestimmt und begrenzt, den das Land frei vorgeben kann.
 
Dazu Haus & Grund Landeschef Dr. Hans Reinold Horst: Als Betroffener fühlt man sich wie bei der „Reise nach Rom“ – man sitzt immer zwischen den Stühlen: Das Land verweist auf den Finanzbedarf und das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden, die Gemeinden darauf, man sei verpflichtet geschaffene landesrechtliche Grundlagen zur Beitragserhebung umzusetzen. Die einen schieben es auf die anderen, und die Bürgerinnen und Bürger dürfen nur zahlen.
 
Bernhard Zentgraf, Vorsitzender des Steuerzahlerbundes, ergänzt: Von dem ursprünglichen Kompromissvorschlag ist auch nichts übrig geblieben. Diskutierte Erleichterungen bei der Tilgung des erhobenen Beitrags können frei von der Gemeinde per Satzung gewährt werden – oder eben nicht. Verpflichtet sind die Gemeinden dazu nicht – im Gegenteil können sie frei entscheiden. Ob dann überhaupt etwas von den so lange diskutierten Erleichterungen bei den betroffenen Eigentümern ankommt, hat also allein die Gemeinde in der Hand. Besonders ärgerlich: Sozusagen über Nacht ist die ursprünglich geplante Pflicht der Gemeinde weggefallen, für beitragsbelastete Straßen den Nachweis zu erbringen, dass man selbst in den letzten 25 Jahren seiner Instandhaltungspflicht ordnungsgemäß nachgekommen ist. Im Vorfeld hatte es dazu immer wieder Missbrauchsfälle auch in der Region Hannover gegeben: Instandhaltungskosten, die die Gemeinde selbst als Trägerin der Straßenbaulast tragen muss, sind in die Beitragsbescheide zulasten der Bürger mit eingerechnet worden.
 
Tibor Herczeg, Geschäftsführer des Verbandes Wohneigentum, und Harald Wedemeyer, Justiziar beim Landvolk Niedersachsen, teilen diese Kritik: „Obwohl der Berg jahrelang gekreißt hat, wird durch den als sicher vorauszusehenden Landtagsbeschluss nicht einmal eine Maus geboren. Von den Kompromissgedanken bleibt unter dem Strich nichts übrig.“ Alle beteiligten Verbände sind sich in ihrer Zusammenfassung einig: Der von der Landesregierung  vorgeschlagene und jetzt vor seinem Beschluss stehende „Kompromiss“ bei der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen ist also tatsächlich schon im Ansatz „faul“. Greifen dann auch noch die vorgetragenen Argumente für eine Beibehaltung des Ausbaubeitrags in der Sache nicht, dann will sich der Staat letztendlich „zweimal“ bezahlen lassen; er will seine Bürgerinnen und Bürger weiter schröpfen! Denn zur Finanzierung seiner Aufgaben bekommt er bereits Steuern, Gebühren und Beiträge.
 
Dass der Instandhaltungsnachweis kommentarlos über Nacht aus der Beschlussvorlage herausgefallen ist und dies erst 7 Tage vor der Plenumssitzung öffentlich wird, empfinden alle Verbandsvertreter als schlechten Politikstil. Die Folgerung: Wir werden den Straßenausbaubeitrag so lange weiter bekämpfen, bis er in Niedersachsen wie in anderen Bundesländern auch vom Tisch ist!
 
Hintergrund: Der Niedersächsische Landtag wird auf Initiative der Regierungsfraktionen von SPD und CDU die Straßenausbaubeiträge im niedersächsischen Kommunalabgabengesetz neu regeln. Den teilweise hohen Beitragslasten für Grundstücksanlieger bei der Sanierung gemeindlicher Straßen soll entgegengetreten werden. Dazu sollen den Rathäusern mehr Spielräume zur Stundung der Beitragsforderungen oder bei Vergünstigungen für Eck- und
Großgrundstücke eingeräumt werden. Freiwillig sollen die Gemeinden zudem künftig eine Verwendung der Beiträge und einen höheren Eigenanteil zur Finanzierung des Straßenbausbeschließen können.